BERNDL BERCHTESGADEN
Sophia Maria Lanzinger Berchtesgaden 2013 Destiny - Fate - Fortune info [at] sophiamaria.de www.sophiamaria.de |
Was anderes denn ein kultur- oder naturbedingter Überfluss an Sinneseindrücken ist es, der bestimmten Orten die Prädikate „besonders“ oder „einmalig“ zukommen lässt?
In solchem Sinne stellt Berchtesgaden wohl den Inbegriff alpiner Mystik und des Wunder-baren dar, ein Ort, der in seinem Übermaß an Naturpräsenz wie geschaffen scheint für Kontemplation und Eskapismus. Diese Erkenntnis ist ausschlaggebend für den Lebensplan von Franz und Klara, für ihre Auffassung des richtigen, aktiven Daseins, und schließlich für den Bau ihres Lebens-Gebäudes. Am Anfang ist nur eine Wiese am Waldrand auf einer Anhöhe, vis-à-vis dem Watzmann. An dieser Stelle wird ein Aussichtspunkt geschaffen, der das Blickfeld erweitert und so die räumliche Dimension erschließt, in der der Umwelt auf Augenhöhe begegnet werden soll, und andererseits als Angelpunkt Anfang und Ende erkundender Bewegung im Naturraum darstellt. Das Leben ist zunehmend gekennzeichnet durch ein repetitives Moment, das Lebenswelt und Naturrhythmus synchronisiert und so die zeitliche Dimension der Naturaneignung öffnet. Der scheinbar ewig währende Naturkreislauf überträgt sich auf den Lebensrhythmus und löst diesen aus seinem zeitlichen Fortlauf: die lineare Zeitstruktur verliert sich, die Jahre scheinen zunehmend austauschbar. Andererseits überträgt sich der Aspekt des dauernden Entstehens auch auf die Lebensweise, die von Vitalität und Vigilität geprägt ist. Natur und Kultur der Lebensführung sind weitgehend deckungsgleich geworden und verweigern so sozialen Konventionen des Alterns den Zugriff. Durch diese Bewegung, die scheinbar ewig fortlaufenden Wiederholungen, scheint die grundsätzliche Frage nach der conditio humana augenscheinlich. Gleichzeitig schafft der Eindruck bewegter Ewigkeit in der Natur ein Bewusstsein für die Vergänglichkeit als grundsätzlichster Immanenz menschlichen Daseins. Die Ambivalenz zwischen aktiv-kontemplativer Teilwerdung und dem Bewusstsein, dass diese nur temporär Bestand hat, intensiviert die Intersubjektivität und macht das Gemeinsame zum wichtigsten Aspekt des Er-Lebens. |