Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist ambivalent. Das Tier hat für den Menschen viele Gestalten. Es ist Freund, Partner, Symbolträger, Gehilfe, Werkzeug, Körper, Produkt und Abfallprodukt. In einer anthropozentrischen Gesellschaft stehen die Interessen des Menschen dabei generell im Vordergrund. Das Tier profitiert von seinen Interessen und es leidet darunter.
Das Huhn ist ein Nutztier, es ist Nahrung und ist dem Menschen damit gleichzeitig näher und weniger nah, als ein Haustier. Es ist kein Individuum, es ist Viele. Das Huhn produziert jährlich 11 Milliarden Eier in Deutschland und ist für die Fleischproduktion auf äußerste Effizienz hin gezüchtet worden. Als das, was es für den Menschen darstellt, ist es wertvoll. Das Huhn und seine Jungtiere haben darüber hinaus starken Symbolgehalt. Die Henne ist ein Urbild für die fürsorgliche und beschützende Mütterlichkeit. Das Kindchenschema der Jungtiere steigert die Empathiefähigkeit des Menschen, darüber hinaus sind Küken ein Symbol neuen Lebens und werden vielfach für Werbezwecke eingesetzt. Die Fotografien haben konkret ein Schicksal einzelner Tiere, gesamtheitlich jedoch die generelle Gegensätzlichkeit, die sich in der Mensch-Tier-Beziehung findet, zum Thema. In den Fotografien wird der zentrale Moment im Lebens eines Tiers nachgestellt. Mit dem Wurf eines Mitarbeiters in einen Trichter findet der erste und letzte Flug jedes dieser Tiere innerhalb der ersten 72 Stunden ihres Lebens statt. Es geht dabei zum Einen ganz konkret um das einzelne Tier, das in der jeweiligen Fotografie zu sehen ist. Stellvertretend steht jedes der Küken darüber hinaus für die Gegensätzlichkeit in der Beziehung zwischen Mensch und Tier, die weit über die millionenfache Tötung von Tieren im Zuge der Wirtschaftlichkeit hinaus, bis hin zu der ganz privaten Ambivalenz in der Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Haustier, reicht. Die Ästhetik der Fotografien greift diese Ambivalenz auf und steht zum Inhalt der Fotografien genau so gegensätzlich, wie sich der menschliche Umgang mit dem Tier darstellt. Der Vorgang des Flugs wird aus der betrieblichen Umgebung heraus in die klinische Ästhetik eines Fotostudios transportiert und erfährt damit eine Fokussierung auf das Tier als Körper, aber auch als Lebewesen. |