VOLLZUG
Marcus Glahn 2015/2016 Freies Projekt post [at] marcusglahn.de marcusglahn.de Preisträger Bauhaus Essentials 2016 Bilder-Bank-Preis 2016 |
Die Gelegenheit, ein Gefängnis von Innen zu sehen und das Leben sowie den Alltag an einem solchen von der Öffentlichkeit abgeschiedenen Ort zu erfahren, haben die wenigsten Menschen.
Die Justizvollzugsanstalt als Totale Institution (Erving Goffman) stellt einen räumlich begrenzten Ort dar, der explizit dafür errichtet wurde, um die Gesellschaft vor Personen zu schützen, die als gefährlich angesehen werden oder die öffentliche Ordnung und das Zusammenleben bedrohen. Mit der fotografischen Dokumentation verschiedenster Bereiche der Haftkomplexe sowie Portraitaufnahmen einzelner Straffälliger verschiedener Justizvollzugsanstalten, wage ich den Versuch, das Unsichtbare hinter dem Sichtbaren darzustellen — das alltägliche Leben an einem Ort, an dem jegliche Lebensäußerung durch Kontrolle und Überwachung bestimmt ist. Mein Interesse richtete sich dabei ausschließlich auf die Gefangenen und die vorgefundenen Momente und Konstellationen, da sie die Institution Gefängnis nicht verlassen können und nur beschränkte Möglichkeiten haben, in sozialen Kontakt mit der »Außenwelt« zu treten. Die Dokumentation der pragmatischen Architektur eines Zweckbaus sowie des atmosphärischen Charakters eines der Öffentlichkeit verborgenen Ortes sind maßgeblicher Gegenstand der Arbeit. Grafische Elemente wie Linien und Raster schaffen eine Ordnung der Monotonie, wie sie im Bewusstsein der Inhaftierten dauerhaft zugegen ist. Die fotografische Bewegung zwischen dem Innen- und Außenraum des Gefängnisses greift dabei die Dichotomie des Unsichtbaren und Sichtbaren, des Öffentlichen und des Verborgenen auf. Ein bedeutendes Element meiner Arbeit ist die Untersuchung der Ausgestaltung eines Gefängnisses. Entgegen jeglicher Erwartung ist die Natur, das »Außen«, an diesem Ort omnipräsent. Sei es die Ausschmückung der Räume mit Grünpflanzen, die idyllischen oder nahezu kitschigen Landschaftsmalereien in den Fluren, Aufenthaltsräumen und Werkstätten oder die künstlerisch–bildnerische Auseinandersetzung der Gefangenen. Mein Interesse galt außerdem der Betrachtung, welche Möglichkeiten ein Gefangener nutzt, um seine Individualität auszudrücken und innerhalb der Beschränkungen seine Umgebung aktiv zu gestalten. Die Arbeit »Vollzug« soll einen möglichst vorurteilsfreien und objektiven Blick auf einen Ort geben, der bewusst errichtet wurde, um Menschen von der Gesellschaft abzugrenzen und den abgesonderten Bewohnern primär nicht zum Wohle dient. Die Serie besteht aus gerahmten Fotografien in verschiedenen Größen, einem 128 seitigem Buch mit 65 Fotografien und drei begleitenden Texten zur Arbeit. |